Introducing...

Kapitel 2

Zwei Wochen hätte ich noch gebraucht, nichts weiter – die hätten sie mir doch geben können.

Aber dass sie den Brief geschickt haben, ist nicht das größte Problem, denn das Kuvert trägt nicht nur das Logo meiner Bank, auch der Schriftzug Letzte Mahnung in überdimensionalen Großbuchstaben prunkt über dem Adressfeld.

Ich verschanze mich im Badezimmer und öffne den Umschlag.

Der Klang des Papiers zerreißt die Stille. Mein Herz rast.

Mit einem zittrigen Atemzug ziehe ich das Schreiben heraus. Schwarze Druckbuchstaben springen mir entgegen, jede Zeile ein weiterer Stich: Ihr Konto wird mit sofortiger Wirkung eingefroren, sollte innerhalb von sieben Tagen keine Zahlung eingehen. Die Summe am unteren Ende der Seite lässt mir den Atem stocken: sechzigtausendfünfhudertdreißig Dollar.

Mein Magen zieht sich zusammen. Ich schüttle den Kopf, presse die Augenlider fest aufeinander, aber die Zahl bleibt dort, eingebrannt in mein Gehirn.

Weil mir ohnehin keine andere Wahl bleibt, falte ich den Brief zusammen und lasse ihn in der Potasche meiner Latzhose verschwinden.

Wenn meine Mitbewohnerinnen erfahren, dass ich bankrott bin, werden sie Fragen stellen. Und selbst wenn ich schweige, werden sie mich auf diese eine Art anschauen. Mit diesem mitleidigen Ausdruck, mit dem man eine streunende Katze ansieht, die auf der Suche nach etwas Essbarem die Straße entlanghumpelt.

Als wäre die Armut alles, was ich bin. Als hätte ich keine Ziele, keine Hoffnungen, keine Träume.

Ich sehe mich selbst im Spiegel an.

»Bullshit.« Ich bin mehr als das und ich habe mehr als das. Viel mehr. »Reiß dich zusammen«, ermahne ich die Frau mit den dunklen Augen, deren dichte Wimpern daraufhin endlich aufhören zu flattern. »Du bist Chirurgin, du wirst morgen deinen neuen Job antreten und in zwei Wochen kannst du deinen Kredit wieder bedienen.«

Sie nickt kämpferisch und zieht die Mundwinkel nach oben.

Das ist viel besser als vorhin. Diese Frau bin ich. Nun muss ich nur noch einen Weg finden, die Frist der Bank zu verlängern.

Morgen beginnt mein neuer Job im Halifax Harbor Hospital. Das Krankenhaus ist nicht nur ein Arbeitsplatz, es ist meine einzige Chance, alles wieder ins Lot zu bringen. Wenn ich dort versage, verliere ich nicht nur den Job, sondern auch die letzte Möglichkeit, meine Schulden zu tilgen. Zu scheitern kann ich es mir nicht leisten. Nicht jetzt. Nicht nach allem, was ich bisher durchgestanden habe.


Wird Sonoras erster Tag im Halifax Harbor eine Katastrophe?

  1. Ja, ihr passiert etwas extrem Peinliches
  2. Nein, sie ist total souverän