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Kapitel 2

Zwei Wochen hätte ich noch gebraucht, nichts weiter – die hätten sie mir doch geben können.

Aber dass sie den Brief geschickt haben, ist nicht das größte Problem, denn das Kuvert trägt nicht nur das Logo meiner Bank, auch der Schriftzug Letzte Mahnung in überdimensionalen Großbuchstaben prunkt über dem Adressfeld.

Ich verschanze mich im Badezimmer und schließe für einen Moment die Augen.

»Lieber Gott, bitte mach, dass Nyla diesen Brief nicht gesehen hat, als sie die Post aus dem Briefkasten genommen hat«, flüstere ich flehend, denn das würde etwas, das ich total im Griff habe und vollkommen unwichtig ist, so aussehen lassen, als wäre genau das Gegenteil der Fall.

Wenn meine Mitbewohnerinnen erfahren, dass ich bankrott bin, werden sie Fragen stellen. Und selbst wenn ich schweige, werden sie mich auf diese eine Art anschauen. Mit diesem mitleidigen Ausdruck, mit dem man eine streunende Katze ansieht, die auf der Suche nach etwas Essbarem die Straße entlanghumpelt.

Als wäre die Armut alles, was ich bin. Als hätte ich keine Ziele, keine Hoffnungen, keine Träume.

»Bullshit«, brumme ich zerknirscht. Ich bin mehr als das und ich habe mehr als das. Viel mehr.

Entschlossen falte ich den Brief zusammen und lasse ihn in der Potasche meiner Latzhose verschwinden. Denn gerade ertrage ich es nicht zu erfahren, wann mir mein Schuldenberg um die Ohren fliegen wird.

Dann sehe ich mich selbst im Spiegel an. »Reiß dich zusammen«, ermahne ich die Frau mit den dunklen Augen, deren dichte Wimpern daraufhin endlich aufhören zu flattern. »Du bist Chirurgin, du wirst morgen deinen neuen Job antreten und in zwei Wochen kannst du deinen Kredit wieder bedienen.«

Sie nickt kämpferisch und zieht die Mundwinkel nach oben.

Das ist viel besser als vorhin. Diese Frau bin ich.

Morgen beginnt mein neuer Job im Halifax Harbor Hospital. Das Krankenhaus ist nicht nur ein Arbeitsplatz, es ist meine einzige Chance, alles wieder ins Lot zu bringen. Wenn ich dort versage, verliere ich nicht nur den Job, sondern auch die letzte Möglichkeit, meine Schulden zu tilgen. Zu scheitern kann ich es mir nicht leisten. Nicht jetzt. Nicht nach allem, was ich bisher durchgestanden habe.


Wird Sonoras erster Tag im Halifax Harbor eine Katastrophe?

  1. Ja, ihr passiert etwas extrem Peinliches
  2. Nein, sie ist total souverän