Introducing...

Kapitel 5
Mein Herz pocht schneller, als es sollte, während ich mich im Vorratsraum der Chirurgie an ein Regal lehne. Durch das kleine Fenster am Ende des Raumes dringen die ersten Sonnenstrahlen und werfen ein blasses Licht auf die gestaffelten Kartons und Instrumente.
In wenigen Minuten ist es so weit, ich treffe meinen Boss bei der Visite.
Egal, was gleich passiert. Egal, wie schwer dieser Dr. Stone mir das Leben macht. Ich zeige ihm, was in mir steckt.
Gekonnt zwinge ich mir die Mundwinkel nach oben. Noch ein tiefer Atemzug zur Entspannung und …
Ein helles Klirren lässt mich zusammenzucken.
Mist.
Schnell öffne ich die Augen, um zu sehen, was ich versehentlich runtergeworfen habe – und entdecke einen Mann, der vor mir in die Hocke sinkt. Er trägt eine Lederjacke, unter der sich breite Schultern abzeichnen, dazu eine dunkle Stoffhose und elegante Lederschuhe. Jetzt streckt er seine Hand nach der sterilen Einmalschere aus, deren Plastikverpackungen im Sonnenlicht leuchten.
»Ich mache das schon«, sage ich schnell und gehe in die Knie.
Sekundenbruchteile später greifen wir beide zeitgleich die Schere. Unsere Finger berühren einander, ein winziger Stromschlag entlädt sich an meiner Fingerspitze.
»Oh«, machen wir gleichzeitig und für einen Augenblick erscheint es mir, als würde seine Stimme zusammen mit dem Stromschlag in meiner Brust nachhallen.
Ich hebe die Lider.
Sein Gesicht ist meinem so nahe, dass ich jedes Detail wahrnehme. Das Haar, das die Farbe von Lawrencetown Beach hat: ein warmer Braunton mit goldenen Nuancen, die in der Morgensonne schimmern. In seinen grünen Augen entdecke ich einzelne braune Sprenkel. Der glattrasierte kantige Kiefer ist wie auch die schmale Nase so symmetrisch, dass ich zweimal hinsehen muss, um zu begreifen, dass dieser Mann real ist.
»Bitte schön«, sagt er.
Immer noch verwirrt von dem Stromschlag, runzle ich die Stirn. »Hm?«
Er nickt zu seiner Hand, mein Blick folgt. Sogar seine Hände sind makellos. Mit perfekten Fingern, die die Schere halten. Ich ertappe mich dabei, wie ich diese Finger anstarre – was immer noch besser ist, als ihm ins Gesicht zu starren.
»Ähm … danke«, sage ich, nehme ihm das chirurgische Instrument ab und stehe so schnell auf, dass mir kurz schwindelig wird.
Er drückt sich ebenfalls aus der Hocke hoch und macht einen Schritt zurück. »Dr. Wells, richtig?«
Woher kennt er meinen Namen? Instinktiv suche ich nach der Antwort und als ich den Krawattenknoten hinter dem Reißverschluss seiner Lederjacke hervorblitzen sehe, bleibt mir schlagartig die Luft weg.
Perfektes Gesicht.
Chirurgenhände.
Kennt meinen Namen.
Scheiße, das muss Dr. Perfect sein. Und er macht seinem Ruf alle Ehre. Würde er bei der Visite mein Krankenzimmer betreten, würde ich denken, ich wäre versehentlich am Set von Grey’s Anatomy gelandet.
Wie wird Sonora auf ihren Chef reagieren?