
Every Step I Take – Eine Szene aus Sarahs Leben
Sarah, die Hauptfigur meines Romans, kennst Du ja schon aus einem früheren Blogpost. Heute zeige ich Dir eine Szene aus ihrem Arbeitsleben. Kannst Du Sarahs Beruf erraten? Die Auflösung gibt’s im nächsten Newsletter. Viel Spaß beim Lesen!
„Sarah!“
Jörg, einer meiner Arbeitskollegen, lehnt lässig am gläsernen Türrahmen meines Büros. Er hat ein breites Grinsen im Gesicht, will selbstsicher wirken, obwohl er mir nicht einmal in die Augen sehen kann. Trotz seines maßgeschneiderten, dunkelgrauen Anzugs sieht er aus wie ein unsicherer, kleiner Junge.
„Was kann ich für dich tun, Jörg?“ Ich lege einen zuckrigen Klang in meine Stimme. Meine Mundwinkel ziehen sich von selbst nach oben, auch wenn es keinen Grund gibt zu lächlen. Ich bleibe am Schreibtisch sitzen und lasse meine Finger auf der Tastatur liegen. Vielleicht versteht er so, dass er sich kurz halten soll. Immerhin bleibt er an der Türe stehen und sieht dabei so aus, als wäre er dort fest gefroren. Nur seine Hand bewegt sich. Ständig streicht er sein kinnlanges, blondes Haar zurück, obwohl keine einzige Strähne in sein eckiges Gesicht fällt.
„Ich wollte dir nur viel Glück wünschen“. Seine Worte klingen überheblich, sein Grinsen ist schmierig wie Motoröl.
„Danke, wie lieb von dir.“ Ich spiele sein Spiel mit, tue so als ob ich nicht wüsste, warum er hier ist. Alle meine Kollegen warten gespannt auf den Tag, an dem ich versagen werde. Aber er ganz besonders. Er hofft, dass es heute soweit ist, das spüre ich genau.
Er legt die Hand an sein Kinn und schmunzelt auffällig lange. „Erzähl mal, bist du schon aufgeregt? Ist ja eine riesige Sache, die du da vorhast und deine Chancen stehen nicht besonders gut.“
„Lass das mal meine Sorge sein“, sage ich bestimmt und sehe ihm dabei fest in die Augen. Diesmal hält er meinem Blick stand, und ich wüsste gerne woher er plötzlich den Mut dafür nimmt.
Jetzt betritt er auch noch ohne meine Zustimmung mein Büro und schleicht umher wie ein Löwe, der seine Beute umzingelt. Der Gestank seines After Shaves verätzt meine Atemwege.
„Natürlich bist du hier der Star. Aber du weißt, jeder Stern fällt irgendwann vom Himmel.“ Er kommt auf mich zu und stützt sich mit seinen Fäusten auf meinem Schreibtisch ab. „Ganz egal, wie strahlend schön er einmal war, wenn er dann am Boden liegt, ist er nur noch ein schmuckloses Steinchen.“
Seine Stimme hat einen gefährlichen Unterton angenommen, sein Gesichtsausdruck ist so emotionslos wie der eines Serienkillers, wenn er vor Gericht steht. Er ist mir gefährlich nahe, aber davon lasse ich mich nicht einschüchtern.
Im Gegenteil, ich spüre, wie mein Kampfgeist erwacht, genau zum richtigen Zeitpunkt.
Ganz langsam, und ohne ihn aus den Augen zu lassen, stehe ich von meinem Sessel auf. Dank der hohen Absätze an meinen Schuhen bin ich beinahe so groß wie er. „Lass uns das doch eingehend bei meiner Siegesfeier diskutieren. Ich muss jetzt leider zu meinem Termin.“ Schulterzuckend deute ich auf meine elegante Armbanduhr und schnappe mir die Unterlagen, die schon seit Stunden fertig vorbereitet auf dem Tisch liegen.
Es kann losgehen, ich fühle mich bereit.
Dass mir Jörg mit seinem Besuch auch noch einen Gefallen getan hat, zaubert mir ein zufriedenes Lächeln aufs Gesicht. Mit aufrechtem Rücken und eindrucksvoll energischen Schritten marschiere ich an ihm vorbei. „In der Zwischenzeit kannst du ja schon mal den Champagner kühl stellen“, sage ich zum Abschied, dann lasse ihn alleine in meinem Büro zurück. Wie gerne würde ich sein verdattertes Gesicht sehen, aber ich erlaube mir nicht, mich noch einmal umzudrehen.
Jetzt sind andere Dinge wichtig. Ich muss erfolgreich sein, koste es, was es wolle.