Introducing...

Kapitel 4
Das klingt nicht gut. »Was ist mit dem Boss?«
Sofort rollt Claire mit den Augen. »Der Chefarzt und der Vorstand haben ein riesiges Geheimnis aus dem Neuen gemacht, dementsprechend neugierig war ich auf ihn. So neugierig, dass ich heute Vormittag sogar außerhalb meiner Dienstzeit hier war, um mir den Typen bei seiner Antrittsrede anzusehen.«
»Okay …« Mein Gefühl sagt mir, dass gleich nichts Gutes kommt.
»Du hättest ihn sehen müssen, wie er dastand. In seinem maßgeschneiderten Anzug, der akkuraten Frisur und diesem ekelhaft perfekten Zahnpastalächeln. Als wäre er ein Model und kein Arzt. Außerdem ist er erst siebenunddreißig – viel zu jung, um Oberarzt zu sein«, fährt sie fort. »Er ist ein totales Egoschwein, das ist so was von offensichtlich.«
Egoschwein? Klasse. »Und weiter?«
Ihre Miene nimmt einen angewiderten Ausdruck an. »Wenn du ihn kennenlernst, wirst du sofort wissen, was ich meine. In seiner Ansprache heute hat er seinen Charakter so was von offenbart.« Die Krankenakten in der Hand, beschleunigt sie den Schritt. Eine Pflegerin kommt uns entgegen, wir begrüßen einander mit einem Nicken. »Als er sagte, dass er keine Fehler toleriert und Höchstleistungen erwartet, war alles klar.«
Und was passiert, wenn jemand einen Fehler macht? Das ist die Frage, die sich sofort in mir hochdrängt, stellen werde ich sie aber garantiert nicht. Am Ende würde es wirken, als wäre ich besorgt – schwach irgendwie – und das ist keine Option. Also schnaube ich nur verächtlich, während wir einen menschenleeren Bereich mit Plastikstühlen und einem bodentiefen Fenster, neben dem ein Gummibaum steht, passieren.
»Dann hat er einfach das Handy des diensthabenden Oberarztes für sich beansprucht – und zwar dauerhaft, selbst wenn er gar nicht in der Klinik ist.« Verbitterung schwingt in ihren Worten. »Als könnte ausschließlich er einen guten Job machen, als wäre er Gott persönlich.«
Ich will es nicht, dennoch kann ich nicht aufhören, mich zu fragen, ob Claire Recht hat. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: Selbst, wenn sie Recht hat, diesen Job muss ich um jeden Preis behalten.
Außerdem gibt es absolut keinen Grund, nervös zu sein – nicht den geringsten. Trotzdem bilden sich bei dem Gedanken, dass ich den Boss bald kennenlernen werde, Schweißperlen in meinen Handflächen.
Wo wird Sonora ihren Boss das erste Mal treffen?